Wie du Stigmatisierung und Diskriminierung begegnen kannst
HIV-positive Menschen können mittlerweile ein gesundes und langes Leben führen. Auch wenn sich die Lebensqualität von Menschen mit HIV in den letzten Jahren aufgrund der innovativen Therapien sowie Fortschritten in der Behandlung von HIV enorm verbessert hat, besteht nach wie vor eine große Herausforderung: Im Alltag sind HIV-positive Menschen häufig mit Stigmatisierung und Diskriminierung konfrontiert.
Was sind Stigmatisierung und Diskriminierung?
In Bezug auf HIV spricht man von Stigmatisierung, wenn Menschen ausschließlich aufgrund ihrer HIV-Infektion in eine negative Schublade gesteckt und verurteilt werden. Beispiele für eine solche Stigmatisierung sind etwa die pauschalen Annahmen, dass HIV nur schwule Männer betrifft oder alle HIV-positiven Menschen promiskuitiv wären – also Sex mit häufig wechselnden Partner*innen haben – und ihre HIV-Infektion dadurch selbstverschuldet sei.
Der Begriff Diskriminierung ist etwas konkreter und beschreibt die persönliche Benachteiligung einzelner Menschen aufgrund der HIV-Infektion. Häufig ist diskriminierendes Verhalten eine Folge der Stigmatisierung. Beispielsweise spricht man von Diskriminierung, wenn ein/e Zahnärzt*in dich aufgrund deines HIV-Status nicht behandeln will oder wenn ein/e Arbeitgeber*in dich deshalb nicht einstellen möchte oder dir kündigt.
Woher kommt diese pauschale Negativbewertung von Menschen mit HIV?
Die Ursache für Stigmatisierung und den daraus resultierenden diskriminierenden Verhaltensweisen liegt häufig darin, dass ein großer Teil der Gesellschaft noch immer die veralteten Bilder aus den 1980er Jahren im Kopf hat: Schwule HIV-positive Menschen, die an Aids erkrankten, damals nicht angemessen behandelt werden konnten und verstarben.
Das Wissen über die aktuellen Möglichkeiten der innovativen HIV-Therapien und darüber, was Leben mit HIV heutzutage eigentlich bedeutet, ist noch nicht bei allen Menschen angekommen. Daher setzen manche eine HIV-Infektion immer noch mit einer stark eingeschränkten Lebensqualität, dem Ausbruch von Aids und damit einem Todesurteil gleich, was es heute aber nicht mehr ist.
Auch bezüglich der Übertragungswege fehlen vielen Menschen die richtigen Informationen. Deshalb halten sich Vorurteile und Ängste gegenüber HIV-positiven Menschen noch immer hartnäckig. Fakt ist: Sie sind schlichtweg unbegründet, denn im Alltag besteht keinerlei Ansteckungsgefahr.
Stigmatisierung aus dem eigenen Inneren
Stigmatisierung kann aber nicht nur von außen erfolgen, sondern auch aus deinem eigenen Inneren heraus entstehen. Du machst dir Vorwürfe, verurteilst dich selbst für deine HIV-Infektion und schämst dich dafür? Diese verinnerlichten pauschalen Negativbewertungen nennt man dann Selbststigmatisierung.
Das kürzlich veröffentlichte Forschungsprojekt „positive stimmen 2.0“ der Deutschen Aidshilfe zeigt, dass Selbststigmatisierung leider keine Seltenheit ist: Eine von vier befragten Personen fühlt sich schuldig und/oder schämt sich, dass sie HIV-positiv ist.1
Als HIV-positiver Menschen ist ein solides Wissen rund um HIV sehr wichtig, um Selbststigmatisierung zu vermeiden und sich so zu akzeptieren, wie man ist – auch mit dem Virus.
Diskriminierung gibt es auch dort, wo man sie am wenigsten erwartet
In sozialen Beziehungen kann sich diskriminierendes Verhalten in vielfältigen Formen zeigen: Mitunter kommt es vor, dass Freunde und Bekannte sich zurückziehen, nachdem sie erfahren haben, dass man HIV-positiv ist.
Am häufigsten findet Zurückweisung allerdings in sexuellen Beziehungen oder beim Dating statt, obwohl HIV bei erfolgreicher Therapie und nicht nachweisbarer Viruslast selbst beim Sex ohne Kondom nicht übertragen werden kann.2,3
Auch im Gesundheitswesen – der Bereich, in dem man es wohl am wenigsten erwartet – sind Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-positiver Menschen auf Grund mangelnden Wissens leider noch weit verbreitet.
Laut der Umfrage „positive stimmen 2.0“ bestätigen 56% der befragten Menschen mit HIV, dass sie in den letzten 12 Monaten im Gesundheitswesen mindestens eine negative Erfahrung aufgrund ihres HIV-Status gemacht haben.1 Fast ein Drittel der Befragten berichten dabei, dass die Patientenakte markiert wurde. 16% der befragten Personen machten sogar die Erfahrung, dass ihnen die zahnärztliche Versorgung verweigert wurde.1
Was kannst du tun, wenn du Diskriminierung erfährst
Gegen Diskriminierung kann und sollte man sich allerdings wehren. Wenn du aufgrund deiner HIV-Infektion diskriminiert wurdest, zum Beispiel beim Arztbesuch, am Arbeitsplatz oder in einer Behörde, dann musst du das natürlich nicht einfach hinnehmen. Die Deutsche Aidshilfe hat für diesen Zweck eine eigene Kontaktstelle für HIV-bedingte Diskriminierung eingerichtet. Du hast dort die Möglichkeit, dich telefonisch oder per E-Mail beraten zu lassen.
Welche Auswirkungen haben Stigmatisierung und Diskriminierung?
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „positive stimmen 2.0“ zeigen, dass Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV leider nicht nur noch immer an der Tagesordnung stehen, sondern sich auch auf die eigene Lebensqualität auswirken können. So berichteten mehr als die Hälfte der HIV-positiven Menschen, dass Vorurteile gegenüber HIV ihr eigenes Leben beeinträchtigen.1 Eine solche Beeinträchtigung kann sich beispielsweise auf Wohlbefinden, Selbstbild und Gesundheit auswirken.
Viele Menschen mit HIV haben Angst davor, dass Personen im Umfeld von ihrer Infektion erfahren. Wenn du die Sorge hast, dass jemand deine HIV-Medikamente entdecken oder dich bei deren Einnahme beobachten könnte, kann das zu bestimmten Handlungen führen, die dazu dienen, deinen HIV-Status zu verheimlichen.
Beispielsweise werden HIV-Medikamente zu Hause häufig versteckt. Manchmal geht es sogar so weit, dass man Panik vor unangekündigtem Besuch entwickelt, denn dieser könnte womöglich offen herumliegende Medikamente entdecken und somit von der HIV-Infektion erfahren.
Ein weiteres Beispiel ist die Befürchtung, dass jemand die entsorgten Tablettenverpackungen in deinem Müll entdeckt und du sie deshalb in einem Mülleimer weit entfernt von deinem Zuhause entsorgst.
Wenn diese Handlungen zur Gewohnheit werden, kann das zu einer andauernden, unbewussten Belastung führen und damit deine Lebensqualität und mentale Gesundheit negativ beeinflussen. Spätestens hier sollte einem bewusst werden, dass dieser Umgang langfristig nicht förderlich für das eigene psychische Wohlbefinden ist.
Einen guten Umgang mit HIV finden
Letztendlich ist es entscheidend, für sich selbst den „richtigen“ Umgang mit dem eigenen HIV-Status zu finden. Es ist vorteilhaft, wenn du offen und selbstbewusst mit deiner HIV-Infektion umgehen kannst und dich so Stigmatisierung und Diskriminierung entgegenstellst.
Nicht jeder kann oder möchte offen mit der eigenen Infektion umgehen und das ist absolut in Ordnung. Sobald allerdings Sorgen und Ängste ins Spiel kommen, gilt es selbst wachsam zu sein und darüber offen mit deinem/r Ärzt*in zu sprechen. Denn wenn diese/r über deine persönliche Situation Bescheid weiß, kann sie/er dich bestmöglich unterstützen.
Die auf HIV spezialisierten Ärzt*innen sind meist sehr gut vernetzt und können dir somit gezielte Unterstützungsangebote ans Herz legen, die dir helfen können, deine mentale Gesundheit zu erhalten.
Außerdem könnt ihr euch zusammen die vielfältigen Therapiemöglichkeiten ansehen und besprechen, ob es eine Therapie gibt, die besser zu dir und deinem Leben passt, sich besser in deinen Alltag integrieren lässt und mit der du dich zufriedener fühlst.
1. Deutsche Aidshilfe, „positive stimmen 2.0“ Umfrage zu HIV-bezogener Diskriminierung, https://www.aidshilfe.de/shop/pdf/12257, Last accessed: August 2022
2. Eisinger et al., JAMA February 5, 2019 Volume 321, Number 5 (Reprinted).
3. European AIDS Clinical Society (EACS) Guidelines, Version 11.1, Stand October 2022.
4. Murungi A et al., Experience of Living With HIV: Diagnosis & Disclosure Findings from the Positive Perspectives Study in the Subset of German Patients. Präsentiert beim Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin; 20.– 23.06.2018, Köln. Poster P-025.