Wie das Wissen um n=n deine Lebensqualität verbessert
Was bedeutet eigentlich ,,nicht nachweisbar“?
Wenn Menschen mit HIV eine Therapie erhalten und dadurch erfolgreich „unter der Nachweisgrenze“ sind, können Sie den Virus nicht mehr übertragen. In diesem Zusammenhang begegnet man häufig der Abkürzung n=n (“nicht nachweisbar = nicht übertragbar“) - oder Englisch U=U („Undetectable = Untransmittable).1,2
Der Begriff der Nachweisgrenze - also der Grenzwert, unter dem das HI-Virus im Blut nicht mehr nachgewiesen werden kann - ist dabei allerdings nicht einheitlich definiert. Das liegt daran, dass sowohl die Messmethoden immer genauer werden als auch unterschiedliche Messgeräte in Verwendung sind.
Zwei große Studien, die sich mit dem Thema n=n beschäftigen (die sog. PARTNER-Studien), haben das genauer untersucht. Dabei wurden insgesamt mehr als 135.000 Sexualkontakte ohne Kondom ausgewertet, bei denen ein*e Partner*in HIV-positiv und der/die andere HIV-negativ war. Hier wurde bereits bei einer Viruslast (das ist die Menge der HI-Viren im Blut) von < 200 Viruskopien/ml von einer Nicht-Nachweisbarkeit gesprochen.3 Die Ergebnisse dieser Studien zeigten, dass es dabei in keinem Fall zu einer Übertragung von HIV kam, wenn der/die HIV-positive Partner*in durch Therapie erfolgreich unter der Nachweisgrenze war.
Als HIV-positiver Mensch kann man also unter einer erfolgreichen Therapie selbst beim Sex ohne Kondom niemanden mit HIV infizieren.
Wie wirkt sich dieses Wissen im Alltag aus?
Laut einer aktuellen Untersuchung wurden in Deutschland nur etwas mehr als zwei Drittel der HIV-positiven Menschen auch von ihren Ärzt*innen über n=n informiert.4 Dabei wäre es unglaublich wichtig, dass alle Menschen mit HIV von der Nicht-Übertragbarkeit unter erfolgreicher Therapie wissen.
Dieses Wissen kann sich nämlich sehr positiv auf deine eigene sexuelle und mentale Gesundheit auswirken: Wenn du weißt, dass du das Virus auch bei Sex ohne Kondom nicht auf deine*n Sexualpartner*in übertragen kannst, wirst du auch im Erleben deiner Sexualität deutlich gelassener sein. Mit dieser Gelassenheit verschwinden Ängste und Zweifel und das wirkt sich dann auch vorteilhaft auf die eigene mentale Gesundheit aus. Wenn du sexuell und mental gesund bist, steigt auch deine Zufriedenheit und Lebensqualität. Die Botschaft von n=n gehört mittlerweile fest zum modernen Leben mit HIV.
Wenn Wissen zunimmt, nimmt Stigmatisierung ab.
Nicht nur für HIV-positive Menschen ist Wissen um das moderne Leben mit der Infektion wichtig. Wenn man HIV-negativ ist, spielt das eine mindestens ebenso wichtige Rolle – vor allem im Hinblick auf die noch immer bestehende Stigmatisierung von Menschen mit HIV. Diese beruht vor allem auf der Angst, sich im Alltag und beim Sex bei HIV-Positiven anstecken zu können.
Die kontinuierliche Aufklärung der Gesellschaft ist das wichtigste Mittel gegen überholte Vorstellungen und Stigmatisierung. Ein Bewusstsein und aktuelles Wissen zu haben, wie das Leben von Menschen mit HIV heutzutage aussieht – und auch zu wissen, dass HIV unter erfolgreicher Therapie nicht mehr übertragbar ist – kann die unbegründeten Ängste im Umgang mit HIV-positiven Menschen nehmen.
Was kann ich noch für mehr Lebensqualität tun?
Über n=n und den positiven Einfluss auf deine Lebensqualität weißt du ja jetzt gut Bescheid. Doch nicht nur dieses Wissen allein kann dazu beitragen, deine Lebensqualität langfristig zu verbessern: Sprich einfach regelmäßig offen mit deiner/m Ärzt*in über deine persönlichen Bedürfnisse. Denn jeder Mensch mit HIV ist unterschiedlich und hat somit auch eine ganz individuelle Vorstellung davon, was „Lebensqualität“ für einen selbst bedeutet.
Wenn dein/e Ärzt*in über deine Bedürfnisse Bescheid weiß und du selbst auch deren Veränderung im Blick hast, könnt ihr gemeinsam die Therapie auswählen, die am besten zu deinem aktuellen Leben passt.
1. Eisinger et al., HIV Viral Load and Transmissibility of HIV Infection - Undetectable Equals Untransmittable, JAMA February 5, 2019 Volume 321, Number 5 (Reprinted)
2. European AIDS Clinical Society Guidelines, Version 11.1, Stand October 2022
3. Rodger AJ, Cambiano V, Bruun T et al. Sexual Activity Without Condoms and Risk of HIV Transmission in Serodifferent Couples When the HIV-Positive Partner Is Using Suppressive Antiretroviral Therapy. JAMA 2016, 316(2).
4. Wigger A, de los Rios P, Appiah A, Okoli C. Positive outcomes of patient involvement in treatment decisions: Perspectives from Germany. 15. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin 2020. Abstract A-298