Portrait eines jungen blonden Mannes in einem Park in Hamburg

Wie moderne HIV-Therapien deine Lebensqualität verbessern können

Seit das HI-Virus entdeckt wurde, hat sich in der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten sehr viel getan: Die ersten Therapien waren mit starken Nebenwirkungen verbunden und es musste eine Vielzahl verschiedener Tabletten eingenommen werden, um die Menge der Viren im Körper so niedrig wie möglich zu halten.

Durch die Entwicklung von immer effektiveren Wirkstoffen sind die heutigen, modernen HIV-Medikamente mit den damaligen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit kaum zu vergleichen. So kann die HIV-Therapie heutzutage häufig mit nur einer einzigen Tablette am Tag durchgeführt werden. Bei erfolgreicher Therapie ist HIV im Blut dann auch nicht mehr nachweisbar.

Der medizinische Fortschritt in der HIV-Therapie

In Deutschland beträgt die Lebenserwartung eines nicht HIV-positiven Mannes im Durchschnitt 79 Jahre, für eine nicht HIV-positive Frau 83 Jahre.1Dank der modernen HIV-Therapien können Menschen mit HIV in der Regel ein ähnliches Alter erreichen.2

Stellen wir uns als Beispiel mal einen jungen Mann vor, der im Alter von 21 Jahren die HIV-Diagnose erhält. Wenn er sich bei den unterschiedlichen verfügbaren Therapieformen für die Einnahme von Tabletten entscheidet und einmal täglich eine Tablette einnimmt, wären das also im Laufe seines Lebens mit HIV die beachtliche Anzahl von über 20.000 Tabletten – ganz schön viel, oder?

Bei der HIV-Therapie besteht eine dieser Tabletten aus mehreren – bis zu vier unterschiedlichen – Substanzen, den sogenannten Wirkstoffen. Diese werden miteinander kombiniert und blockieren die Vermehrung des Virus an verschiedenen Punkten.
Dank ihrer hohen Wirksamkeit wurde in den letzten Jahren die Anzahl der notwendigen Wirkstoffe in der HIV-Therapie weiter reduziert, was vor allem das Risiko für mögliche Nebenwirkungen sowie auch Wechselwirkungen der HIV-Medikamente mit anderen Substanzen und Medikamenten verringern kann.
Hat man für die HIV-Therapie ab Mitte der 1990er Jahre mindestens drei oder vier Wirkstoffe miteinander kombiniert, so werden heute in den deutschen Leitlinien zur HIV-Therapie3 – an denen sich die Ärzt*innen bei der Auswahl der Medikamente orientieren – zudem auch moderne Kombinationen mit zwei Wirkstoffen empfohlen.

Diagnose HIV: Ein Wendepunkt im Leben?

Trotz der modernen Therapieoptionen ist die HIV-Diagnose für die meisten Menschen noch immer ein einschneidendes Erlebnis, ab dem sie sich häufig nochmals intensiver und bewusster mit ihrem Leben und vor allem der eigenen Gesundheit beschäftigen.

Für viele HIV-positive Menschen markiert der Zeitpunkt der Diagnose sogar eine Art Wendepunkt, ab dem sie sich besonders stark mit gesundheitlichen Themen wie ihrer Ernährung, der Wichtigkeit von ausreichend Bewegung und gutem Schlaf auseinandersetzen oder auch ein anderes Bewusstsein für den Umgang mit Genussmitteln entwickeln.

Es lohnt sich, über die verschiedenen Lebensbereiche hinweg auf die eigene Gesundheit zu achten und damit die Lebensqualität positiv zu beeinflussen, denn meist liegt ja auch nach der HIV-Diagnose noch ein großer Teil des Lebens vor einem – wie das Beispiel des jungen Mannes verdeutlicht, der so gesehen noch einige Jahrzehnte Leben mit HIV vor sich hat.

HIV als ständiger Begleiter

Ab dem Zeitpunkt der Diagnose und dem Behandlungsbeginn ist deine HIV-Therapie nun ein Leben lang dein ständiger Begleiter, denn als HIV-positiver Mensch bist du ja auf die Medikamente angewiesen, um das Virus unter Nachweisgrenze zu halten und so ein gesundes und langes Leben führen zu können.

Aber welche Überlegungen macht ein HIV-positiver Mensch sich diesbezüglich, wenn er ein starkes Bewusstsein für seine Gesundheit entwickelt hat und gut auf sich achtet – aufgrund der HIV-Infektion dann aber auf die regelmäßige Einnahme von Medikamenten angewiesen ist?

Mittlerweile gibt es groß angelegte Studien, welche die Erfahrungen und Gedanken von HIV-positiven Menschen auch hinsichtlich ihrer Therapie beleuchten. In der „Positive Perspektiven 2“ Studie wurden beispielsweise weltweit 2.389 HIV-positive Menschen befragt. Dabei zeigte sich, dass Menschen mit HIV sich auch Gedanken über die Anzahl an Substanzen in ihren Medikamenten machen: Die Mehrheit (65%) der befragten Personen in Deutschland ist beispielsweise offen für eine HIV-Therapie mit weniger Wirkstoffen bei gleicher Wirksamkeit.4

Warum wünschen sich Menschen mit HIV weniger Substanzen in ihrer Therapie?

Glücklicherweise haben Menschen mit und ohne HIV heutzutage die gleiche Lebenserwartung. Im Alter können bei HIV-positiven Menschen daher dieselben gesundheitlichen Probleme auftreten, wie bei allen anderen auch.

Je älter Menschen mit HIV werden, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Medikamente gegen andere Erkrankungen zusätzlich zur HIV-Therapie eingenommen werden.

Schaubild zur Verteilung der Medikamenteneinnahme

In der „Positive Perspektiven 2“ Studie gaben 82% aller Befragten an, dass sie schon jetzt mindestens ein Medikament zusätzlich zur HIV-Therapie einnehmen.5 Ein beachtlicher Teil der Studienteilnehmer*innen in Deutschland war außerdem besorgt darüber, mit steigendem Alter eventuell noch mehr Medikamente einnehmen zu müssen.4

Auch wenn du vielleicht nicht direkt an das Älterwerden denkst, für deine Lebensqualität kann die Anzahl der Substanzen in deiner Therapie auch jetzt schon eine Rolle spielen. Unser 21-jähriger Mann treibt beispielsweise gerne Kraftsport und nimmt dazu auch regelmäßig unterschiedliche Nahrungsergänzungsmittel ein. Auch in diesem alltäglichen Fall können möglichst wenige Substanzen in der HIV-Therapie das Risiko für Wechselwirkungen mit anderen Stoffen verringern und damit auch einen Einfluss auf deine Lebensqualität haben.

Rede proaktiv mit deinem Ärzt*in

Letztendlich ist es wichtig, dass deine HIV-Therapie und andere Substanzen, die du in Form von weiteren Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln oder ähnlichem zu dir nimmst, sich gut miteinander vertragen. Daher empfiehlt es sich, dass du deinem/r Ärzt*in ganz offen sagst, was du sonst noch neben deinen HIV-Medikamenten einnimmst.

Generell kann es hilfreich sein, von selbst proaktiv ein Gespräch mit dem/r Ärzt*in zu suchen: Von den 120 in Deutschland befragten Teilnehmenden der „Positive Perspektiven 2“ Studie gaben beispielsweise nur 72% an, dass Sie vor einer Umstellung der HIV-Therapie von ihrem/r Ärzt*in über ihre Meinung dazu befragt wurden.6 Auch äußerten nur 63% der Teilnehmenden, dass sie von ihren Ärzt*innen über generelle Bedenken hinsichtlich ihrer Therapie gefragt wurden.6

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen nochmals, wie wichtig es ist, ganz offen mit deinem/r Ärzt*in zu sprechen, damit ihr gemeinsam die für dich und dein Leben optimale Therapie finden könnt.

1. Statistisches Bundesamt. (2021) Lebenserwartung in Deutschland nach Geschlecht und Altersgruppen. Zitiert nach de.statista.com. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1783/umfrage/durchschnittliche-weitere-lebenserwartung-nach-altersgruppen/ zuletzt aufgerufen am 17.11.2021

2. Trickey et al. Survival of HIV-positive patients starting antiretroviral therapy between 1996 and 2013: a collaborative analysis of cohort studies. Lancet HIV 2017; 4: e349–356

3. Leitlinien für Diagnostik und Therapie der HIV-Infektion der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). Deutsch-Österreichische Leitlinien, Version 9 vom 03.09.2020. https://daignet.de/site-content/hiv-leitlinien/hiv-leitlinien

4. Wigger A, de los Rios P, Appiah A, Okoli C. Polypharmacy as A Predictor of Treatment Experiences and Concerns Among Persons Living with HIV In Germany. 15. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin 2020. Abstract A-301.

5. Okoli C, de los Rios P, Eremin A, Brough G, Young B, Short D. Relationship Between Polypharmacy and Quality of Life Among People in 24 Countries Living With HIV. Prev Chronic Dis 2020;17:190359. DOI: http://dx.doi.org/10.5888/pcd17.190359.

6. Wigger A, Berkowitsch B, Appiah A, Allmann R, Stubbs A, de los Rios P, Okoli C. Two-way communication activities and sharing of treatment-related information between people living with HIV and their Healthcare providers; Poster 46932 presented at the Deutsch-Österreichischer Aids-Kongress, March 25-27, 2021.