NEUE LEBENSUMSTÄNDE UND -BEDÜRFNISSE
Schwangerschaft
Viele HIV-positive Menschen fragen sich, ob für sie eine normale Familienplanung möglich sein wird. Sie sorgen sich, dass sie das HI-Virus durch ungeschützten Geschlechtsverkehr an ihre/n Partner*in weitergeben könnten oder dass die Infektion auf das Kind übertragen werden könnte.
Doch diese Sorge ist in den meisten Fällen unbegründet. Die heutigen modernen HIV-Therapien machen es möglich, die Viruslast so weit zu senken, dass das Virus nicht mehr auf andere Menschen übertragen werden kann.1, 2 Deshalb können auch HIV-positive Menschen unter einer erfolgreichen Therapie Sex ohne Kondom haben und so auf natürlichem Weg Kinder zeugen, austragen und zur Welt bringen. Sogar eine vaginale Geburt und das Stillen des Babys sind in der Regel kein Problem – immer vorausgesetzt, dass die HIV-Therapie konsequent fortgeführt und die Zahl der Viren im Körper somit unter der Nachweisgrenze gehalten wird. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, wenn du gemeinsam mit deinem/r HIV-Schwerpunktärzt*in besprichst, unter welchen Voraussetzungen eine vaginale Geburt und das Stillen möglich sind.
Medikamente in der Schwangerschaft
Vielleicht denkst du dir jetzt: Aber für die HIV-Therapie werden doch Medikamente eingesetzt – sind die nicht schädlich für das ungeborene Kind? Oder du stellst dir die Frage, ob das Baby die Medikamente beim Stillen nicht über die Muttermilch aufnimmt? Es gibt tatsächlich bestimmte HIV-Medikamente, die während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingesetzt werden sollten. Es gibt aber auch welche, die verwendet werden können.
Deshalb ist es wichtig, dich bei einem konkreten Kinderwunsch an deine/n Ärzt*in zu wenden. Diese/r kann dir sagen, ob deine aktuellen HIV-Medikamente im Falle einer Schwangerschaft noch für dich geeignet sind. Falls nicht, könnt ihr gemeinsam planen, wie deine Therapie so angepasst werden kann, dass sie einer Schwangerschaft nicht im Weg steht und auch dem ungeborenen Kind nicht schadet. Wenn du ungeplant schwanger werden solltest, gilt es zu handeln: Sprich in diesem Fall schnellstmöglich mit deinem/r Ärzt*in, um sicherzustellen, dass deine aktuelle HIV-Therapie mit der Schwangerschaft vereinbar ist.
Und wenn das Baby erst mal da ist? Falls du Angst hast, dass du beim Wickeln, Schmusen, Spielen und allem anderen, was man als Eltern gemeinsam mit seinen Kindern macht, das Virus an dein Kind weitergeben könntest, kannst du ebenfalls entspannt bleiben. Wie im Abschnitt zur Übertragung von HIV genauer erläutert besteht in normalen Alltagssituationen keine Gefahr, das Virus an andere zu übertragen, auch nicht an Menschen, denen du so nahekommst wie deinem Kind.
Wenn die Viruslast der Mutter unter der Nachweisgrenze liegt, ist auch Stillen in der Regel möglich. Weitere Voraussetzungen für sicheres Stillen sind zudem die regelmäßige Einnahme der HIV-Medikamente sowie die Bereitschaft, die Viruslast von Mutter und Kind regelmäßig zu überprüfen. Hierzu ist es empfehlenswert, dass die Mutter bereits frühzeitig in der Schwangerschaft das Thema Stillen mit dem/r HIV-Schwerpunktärzt*in bespricht und gemeinsam die nötigen Voraussetzungen für sicheres Stillen geprüft werden.
Für HIV-positive Mütter lohnt sich zudem ein genauer Blick in das Kinderuntersuchungsheft (dem sogenannten “U-Heft”) sowie den Mutterschaftspass. Denn häufig ist auf dem Kinderuntersuchungsheft noch der Hinweis „HIV-positive Mutter” oder im Mutterschaftspass ein Vermerk zum positiven HIV-Status enthalten.
Hier empfiehlt es sich, einen guten Blick auf diese Dokumente zu werfen. Denn wenn man einen solchen Hinweis auf den eigenen Dokumenten feststellt, muss man dies nicht einfach hinnehmen, sondern kann darauf bestehen, dass das betreffende Dokument neu ausgestellt wird. Es besteht kein Grund, warum eine solche Formulierung angegeben werden sollte, diese ist diskriminierend und auch datenschutzrechtlich nicht erlaubt.
Vielen Müttern ist nicht bewusst, dass sie sich dagegen wehren können. Die Deutsche Aidshilfe hat eine eigene Kontaktstelle für HIV-bedingte Diskriminierung eingerichtet, bei der auch solche Vorfälle gemeldet werden können. Du hast dort die Möglichkeit, dich telefonisch oder per E-Mail beraten zu lassen.
Weitere Informationen und die persönlichen Erfahrungen von Franziska, die mit HIV drei gesunde Kinder bekommen hat, findest du hier:
Mehr zum Projekt „positiv schwanger“ und weitere Informationen zum Thema HIV und Schwangerschaft findest du auch hier.
Neuer Job
Menschen mit HIV können heute im Prinzip alle Berufe ausüben. Bei Einstellungsuntersuchungen darf kein HIV-Test verlangt werden (abgesehen von wenigen Ausnahmen, die nach gängiger Rechtsauffassung ausschließlich Berufe mit chirurgischen Tätigkeiten betreffen). Auch darf in einem Einstellungsgespräch nicht nach deinem HIV-Status gefragt werden. Wenn das – widerrechtlich – dennoch geschieht, hast du das Recht, die Frage falsch zu beantworten, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Hier gibt es allerdings eine kleine Ausnahme: Und zwar dann, wenn du in einem Beruf arbeitest, in dem geschäftliche Reisen in Länder notwendig sind, in denen du bei der Einreise deinen HIV-Status angeben musst. In diesem Fall hat dein/e Arbeitgeber*in bei der Einstellung das Recht, dich nach deinem HIV-Status zu fragen. Ein Beispiel hierfür ist der Beruf Pilot*in. Die Ausübung der Tätigkeit an sich schränkt das natürlich nicht ein.
Christopher, ein Berater der Münchner Aidshilfe erklärt hier, welche Dinge im Bezug auf HIV und das Arbeitsleben zu beachten sind
Falls du deinem/r Arbeitgeber*in sagst, dass du HIV-positiv bist, ist er/sie nicht berechtigt – und schon gar nicht verpflichtet –, auch deine Kolleg*innen hierüber zu informieren. Du hast ein Recht auf den Schutz deiner Privatsphäre, und dazu gehört die vertrauliche Behandlung persönlicher Gesundheitsinformationen.
Offener Umgang mit HIV im Job
Ob du deinem/r Arbeitgeber*in oder Kolleg*innen von der Infektion erzählst, ist allein deine Entscheidung. Es ist jedoch sinnvoll, wenn du dir bereits im Vorfeld eines neuen Jobs genau überlegst, wie du mit dieser Information im Arbeitsumfeld umgehen willst, denn es gibt hier Vor- und Nachteile, die gegeneinander abzuwägen sind:
Vielleicht gehörst du zu den Menschen, denen es guttut, offen über die eigene HIV-Infektion zu sprechen und dadurch zu wissen, dass ihr HIV-Status auch in der Arbeit kein Geheimnis ist. Das kann natürlich sehr entlastend sein. Andererseits kann es dabei aber auch passieren, dass einzelne Kolleg*innen mit der Tatsache deiner HIV-Infektion nicht so umgehen, wie du es dir wünschen würdest, und du unter Umständen zum Gegenstand von Tuscheleien wirst oder im Kolleg*innenkreis Ausgrenzung erlebst.
Ob du gegebenenfalls bereit wärst, dieses Risiko einzugehen, kannst nur du einschätzen. In jedem Fall gibt es für dich keine Pflicht, deine HIV-Infektion am Arbeitsplatz offenzulegen.
- Falls du bei Bewerbungen oder allgemein im Rahmen deiner Berufstätigkeit Benachteiligungen oder Diskriminierung aufgrund deiner HIV-Infektion erleben solltest, so kannst du dich dagegen zur Wehr setzen, indem du dich an deine lokale Aidshilfe oder an die Antidiskriminierungsstelle der Deutschen Aidshilfe wendest. Detaillierte Informationen hierzu findest du im Abschnitt „Diskriminierungen melden“.
Häufig ist es allerdings ratsam, mit der Bekanntgabe der HIV-Infektion zunächst im privaten Umfeld zu beginnen. Hier hast du einen geschützten Rahmen von vertrauten Personen, in dem du erste Gehversuche im Reden über deinen HIV-Status sowie über einige grundlegende Dinge zu HIV machen kannst. Nach und nach wirst du dabei mehr Sicherheit gewinnen und kannst so – falls du das möchtest – den Kreis der Personen, die du einweihst, immer weiter ausdehnen.
Weitere Hinweise dazu, wie du am Arbeitsplatz mit deiner HIV-Infektion umgehen kannst, findest du in den Abschnitten „Bist du verpflichtet, es zu sagen?“ und „Wie sagst du es am besten?“.
Mittlerweile gibt es eine großangelegte Initiative, die sich für einen selbstverständlicheren Umgang mit HIV am Arbeitsplatz einsetzt. Bei #positivarbeiten – einem Projekt der Deutschen Aidshilfe – engagieren sich Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen Hand in Hand für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben.
Eintritt ins Rentenalter
Da die modernen HIV-Therapien ein langes Leben bei guter Lebensqualität ermöglichen, kommen HIV-Positive genauso wie nicht mit dem HI-Virus lebende Menschen in die Situation, einen ganz besonderen neuen Lebensabschnitt zu erreichen: Das Rentenalter. Gibt es hierbei für Menschen mit HIV etwas Besonderes zu beachten? In aller Kürze: Nein. Egal ob du gesetzlich oder privat für deine Rente vorsorgst – in beiden Fällen spielt deine HIV-Infektion keine Rolle und du hast dieselben Versorgungsansprüche wie nicht mit HIV lebende Menschen.
Bei rechtzeitigem Beginn und konsequenter Durchführung der HIV-Therapie können Menschen mit HIV in der Regel einen so guten Gesundheitszustand erreichen und aufrechterhalten, dass sie bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter ganz normal arbeiten können. Wer das nicht möchte und stattdessen plant, sich schon früher aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen, hat genauso wie HIV-negative Menschen die Möglichkeit, gegen eine entsprechende Verringerung der monatlichen Rentenzahlungen vorzeitig in Rente zu gehen (sogenannter vorgezogener Ruhestand).
Manche Menschen mit HIV haben noch weitere chronische Erkrankungen oder fühlen sich aus anderen Gründen nicht fit genug, um bis zum regulären Rentenalter zu arbeiten. Für diesen Fall gibt es die sogenannte Altersrente für schwerbehinderte Menschen (häufig als Frührente bezeichnet). Voraussetzungen für die Beantragung dieser Rente sind:
- Du hast die für dich hierfür geltende Altersgrenze erreicht (nach Geburtsjahren gestaffelt zwischen 60 und 65 Jahre)
- Du hast einen Schwerbehinderungsgrad von mindestens 50 Prozent zuerkannt bekommen
- Du hast mindestens 35 Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt
Genauere Informationen hierzu sowie zu allen anderen Fragen rund um die Rente und die Möglichkeiten der Altersvorsorge findest du hier:
Eine persönliche Beratung zur Rente und zu allen anderen sozialrechtlichen Fragestellungen erhältst du auch über die Angebote der HIV-Beratungsstellen.
Trennung von dem/der Partner*in
HIV-positive Menschen können heute ein normales Leben führen. Das bedeutet, dass in ihrem Leben alles passieren kann, was auch im Leben von anderen Menschen passiert. Und dazu können auch Trennungen von dem/der Partner*in gehören. Besonders ist dabei nur: Neben all den anderen Gründen, die dazu führen können, dass Menschen sich trennen – enttäuschte Erwartungen, Vertrauensbruch, unterschiedliche Vorstellungen vom gemeinsamen Leben, Entwicklung in konträre Richtungen, um nur einige zu nennen – kann unter Umständen auch die HIV-Infektion selbst ein Grund für die Trennung sein.
In der Aufklärung über HIV und Aids hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Trotzdem gibt es leider immer noch viele Menschen, die über HIV und vor allem über die modernen Therapiemöglichkeiten nicht gut Bescheid wissen und deshalb keine Beziehung, vor allem keine sexuelle Beziehung, mit einem HIV-positiven Menschen führen möchten.
Was kann ich tun?
Das Einzige, was du in dieser Situation tun kannst, ist: Mit der betreffenden Person, in diesem Fall deinem/r Partner*in, reden und so versuchen, ihm/ihr die Angst vor HIV zu nehmen bzw. die Sorge zu zerstreuen, sich selbst mit dem Virus zu infizieren. Einige Ratschläge für ein solches Gespräch findest du in den Abschnitten „Wie sagst du es am besten?“ und „Vorurteile abbauen“.
Wenn dein Gegenüber dennoch an den eigenen Vorbehalten festhält, ist es am besten, dies als die persönliche Entscheidung deines/r Partner*in zu akzeptieren und dich innerlich zu lösen. HIV ist ein fester Bestandteil deines Lebens und wird es auch weiter bleiben. Es ist wichtig für dich und auch für den Erfolg deiner Therapie, dass es auch in deiner Partnerschaft einen unterstützenden Umgang mit deiner HIV-Infektion gibt.
Auch wenn Trennungen meist wehtun und mit traurigen Gefühlen verbunden sind: Steck nicht den Kopf in den Sand, sondern nutze deine veränderte Lebenssituation als Chance, um dich neu zu orientieren. Suche den Kontakt zu Menschen, die in der gleichen Lage sind wie du – zum Beispiel bei regionalen HIV-Netzwerken. Hier bekommst du Rat und Denkanstöße, wie du mit Trennungen oder auch abgebrochenen Freundschaften umgehen kannst. Nicht auszuschließen, dass du beim Austausch mit anderen HIV-Positiven auch neue Freunde findest.
Das Leben geht weiter
Und wenn du bereit bist, dich neu zu verlieben? Freu dich darüber, denn das zeigt, dass du die Trennung überwunden hast und deinen Blick wieder in die Zukunft richtest. Vielleicht bist du dir unsicher, wie du bei der Suche nach einem/r neuen Partner*in mit deiner HIV-Infektion umgehen sollst. Wann ist der richtige Zeitpunkt, zu sagen, dass du HIV-positiv bist? Lieber gleich am Anfang die Karten auf den Tisch legen oder besser noch etwas warten?
Das lässt sich nicht so leicht beantworten, aber wir haben dir im Abschnitt „Offenheit gegenüber dem/der Partner*in“ einige Anregungen und Denkanstöße hierzu zusammengestellt.
Weitere chronische Erkrankungen neben HIV
Dank der Fortschritte der modernen Medizin ist die Infektion mit dem HI-Virus heute nicht mehr als lebensbedrohliches Ereignis zu betrachten, sondern als chronische Erkrankung, mit der man durch eine passende Therapie ein gutes und langes Leben führen kann. Unter einer erfolgreichen Therapie haben Menschen mit HIV heutzutage eine normale Lebenserwartung. Das bedeutet, dass sie wie alle anderen in die Lage kommen, sich mit den gängigen Themen des Älterwerdens zu beschäftigen. Dazu gehört es auch, dass man im Laufe seines Lebens neben der HIV-Infektion noch an weiteren chronischen Krankheiten erkranken kann.
Ursachen weiterer chronischer Erkrankungen
Das Auftreten weiterer chronischer Erkrankungen neben der HIV-Infektion kann zum einen schlicht auf die heute höhere Lebenserwartung HIV-positiver Menschen zurückzuführen sein. Wer durch eine erfolgreiche HIV-Therapie ein höheres Lebensalter erreicht, kann auch mit höherer Wahrscheinlichkeit bestimmte Erkrankungen ausbilden, die vor allem bei älteren Menschen auftreten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes.
Die Ursache von Erkrankungen zu bestimmen, ist ein sehr komplexes Thema. Dabei können neben dem Alter auch viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Manche davon haben etwas mit der persönlichen Lebensweise zu tun (zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung, zu wenig Schlaf, Rauchen usw.). In anderen Fällen besteht eine genetische Veranlagung, die mit einem erhöhten Risiko einhergehen kann, bestimmte Erkrankungen zu entwickeln. In wieder anderen Fällen können Belastungen im Alltag oder auch die vermehrte Aufnahme bestimmter Schadstoffe langfristig zu chronischen Erkrankungen führen. Hier gibt es eine große Zahl möglicher – und nicht immer genau zu bestimmender – Einflussfaktoren, und alle betreffen HIV- positive Menschen in der gleichen Weise wie HIV-negative Menschen.
Das Auftreten chronischer Erkrankungen kann jedoch auch in direktem Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehen. Mit den heute zur Verfügung stehenden Therapien kann das HI-Virus zwar erfolgreich zurückgedrängt, aber nicht vollständig aus dem Körper eliminiert werden. Das bedeutet, dass das Immunsystem durch die HIV-Medikamente zwar so gut wie möglich geschützt wird, aber dennoch gewissermaßen auf kleiner Flamme kontinuierlich damit beschäftigt ist, das Virus als unerwünschten Eindringling anzugreifen und unschädlich zu machen.
Diese dauerhafte Arbeit des Immunsystem führt zu einer chronischen Entzündung, welche wiederum eine schnellere Alterung des Immunsystems bewirken kann. Die Folge ist, dass bestimmte körpereigene Reparaturprozesse ins Stocken kommen können, was unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Abnahme der Knochendichte (und damit verbunden ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche) begünstigen kann.
Umgang mit weiteren chronischen Erkrankungen
Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, die bei HIV-positiven Menschen nachweislich häufiger auftreten können als bei Menschen, die nicht mit HIV leben. Hierzu zählen etwa die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder andere chronische Atemwegserkrankungen, die koronare Herzkrankheit (KHK) oder Blutarmut.
HIV-positive Menschen sollten daher besonders wachsam gegenüber körperlichen Veränderungen sein und ihren allgemeinen Gesundheitszustand regelmäßig beim/bei der Ärzt*in überprüfen lassen, etwa im Rahmen der empfohlenen Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen.
Wenn bei HIV-positiven Menschen eine weitere chronische Erkrankung festgestellt wird, ist es wichtig, diese genauso konsequent behandeln zu lassen wie die HIV-Infektion. Nur so lässt sich ein stabiler Gesundheitszustand langfristig aufrechterhalten. Um dem Auftreten von sogenannten Begleiterkrankungen bereits frühzeitig entgegenzuwirken und die eigene Gesundheit auch im Alter zu erhalten, empfiehlt es sich, neben regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung auch einmal einen Blick auf die aktuelle HIV-Therapie zu werfen. Denn: auch mit der Wahl der HIV-Therapie können bestimmte Risikofaktoren, die die Entstehung von chronischen Erkrankungen beeinflussen, minimiert werden und so mitunter die langfristige körperliche Gesundheit und eine hohe Lebensqualität erhalten.
Mögliche Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten
In einer solchen Situation ist auch eine enge Abstimmung mit dem/der HIVSchwerpunktärzt*in wichtig. Er/sie sollte immer einen kompletten Überblick über deinen aktuellen Ge- sundheitszustand haben und genau wissen, welche weiteren Medikamente du neben deinen HIV-Medikamenten einnimmst.
Denn nicht alle Medikamente gegen chronische Erkrankungen passen gut mit den HIV-Medikamenten zusammen. Manche Medikamente können die Wirksamkeit der HIV-Medikamente herabsetzen oder verstärken – was dann entweder zu einer nicht mehr ausreichenden Wirkung der HIV-Therapie oder zum Auftreten von unerwünschten Wirkungen führen kann. Umgekehrt kann es auch sein, dass die HIV-Medikamente die Wirkung der anderen Medikamente herabsetzen oder verstärken. Man spricht in beiden Fällen von sogenannten „Wechselwirkungen“ zwischen den verschiedenen Medikamenten.
Abbildung: Die zwei Aspekte von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten
- Um beurteilen zu können, ob es zwischen deinen HIV-Medikamenten und anderen Medikamenten zu solchen Wechselwirkungen kommen kann, muss dein/e HIV- Schwerpunktärzt*in ein genaues Bild davon haben, welche anderen Erkrankungen du hast und welche Medikamente du insgesamt einnimmst. Mach dir dazu am besten eine Liste oder nimm die Packungen mit zum Termin bei deinem/r Ärzt*in, um nichts zu vergessen. Klar ist jedoch: Je weniger verschiedene Wirkstoffe du einnehmen musst, desto weniger Wechselwirkungen sind möglich – das gilt sowohl für die Anzahl der Wirkstoffe in deiner HIV-Therapie als auch für die Therapie deiner Begleiterkrankungen.
Falls sich herausstellen sollte, dass deine HIV-Medikamente und die Medikamente gegen eine andere Erkrankung nicht miteinander kombiniert werden können, wird dein/e HIV-Schwerpunktärzt*in mit dir besprechen, wie am besten vorgegangen werden sollte. Es kann sein, dass dein/e Ärzt*in dir raten wird, entweder bei der HIV-Therapie oder bei der Behandlung der weiteren Erkrankung auf andere Medikamente umzustellen, um sowohl deine HIV-Infektion als auch die andere Erkrankung erfolgreich behandeln zu können. Weitere Hinweise zum Thema Wechselwirkungen findest du im Abschnitt „Individuelle Anpassung der Therapie“.
AUSBLICK IN DIE ZUKUNFT
Gut und lange leben
Klar, niemand weiß genau, was in zehn Jahren sein wird. Doch in der Frage, wie es mit der HIV- Therapie weitergehen wird, ist die Statistik unser Freund und ein guter Anhaltspunkt: Sie zeigt, dass Menschen mit HIV heutzutage dank guter Therapien genauso gut und lang leben können wie Menschen ohne HIV. Der medizinische Fortschritt in der HIV-Therapie hat es möglich gemacht, dass es bei der Behandlung einer HIV-Infektion heute nicht mehr in erster Linie darum geht, das Überleben zu sichern, sondern vor allem darum, auch mit HIV eine gute Lebensqualität zu erreichen und diese dauerhaft zu erhalten.
Das gelingt inzwischen immer besser, denn die modernen HIV-Medikamente haben in der Regel nur noch wenige unerwünschte Wirkungen, und wenn doch welche auftreten, sind sie in den meisten Fällen gut zu behandeln. Auch wird weiterhin noch an neuen Wirkstoffen und Therapien geforscht, um auch in Zukunft viele individuelle und neuartige Therapiemöglichkeiten für Menschen mit HIV bereitstellen zu können.
Auf die eigene Gesundheit achten
Die HIV-Medikamente sind jedoch nur ein Aspekt deiner Gesundheit – wenn auch ein sehr wichtiger. Wenn du zusätzlich zur regelmäßigen Einnahme deiner Medikamente auf eine gesunde Lebensweise achtest, unterstützt du damit dein Immunsystem und leistest so einen wichtigen Beitrag für den langfristigen Erfolg deiner HIV-Therapie. Und dann spricht einiges dafür, dass es dir auch in zehn Jahren gutgehen wird.
Wird eine Heilung möglich sein?
Ob es bis dahin allerdings möglich sein wird, HIV tatsächlich zu heilen? Oder anders formuliert: Wird es neue Medikamente geben, die das HI-Virus vollständig aus dem Körper entfernen und so die HIV-Infektion von einer gut behandelbaren chronischen Erkrankung zu einer tatsächlich heilbaren Erkrankung machen? Diese Frage lässt sich heute leider noch nicht beantworten. Es wird weiter intensiv geforscht, um dieses Ziel zu erreichen.
Bis es in der Zukunft möglicherweise so weit ist, bleibt jedoch die Gewissheit: Die heute verfügbaren modernen HIV-Therapien ermöglichen ein langes Leben bei guter Gesundheit und hoher Lebensqualität. Sie geben HIV-positiven Menschen die Perspektive auf ein Leben, in dem das HI-Virus keine Hauptrolle mehr spielt, sondern nur mehr die Rolle eines Nebendarstellers.
Wir wünschen dir dafür alles Gute!
Referenzen:
- Eisinger RW et al. HIV Viral Load and Transmissibility of HIV Infection: Undetectable Equals Untransmittable. JAMA 2019 Feb 5; 321(5): 451–452.
- Leitlinien der European AIDS Clinical Society (EACS), Version 12.0, Stand Oktober 2023. https://www.eacsociety.org/ guidelines/eacs-guidelines/eacs-guidelines.html.
- Positive Perspectives Survey. 2017 Data on File
NP-DE-HVU-WCNT-220004 - Aug 2024